hr-iNFO-Büchercheck: Flokati oder mein Sommer mit Schmidt von Martin Schult

hr-iNFO-Büchercheck: Flokati oder mein Sommer mit Schmidt von Martin Schult

16.06.2016

Der Autor Martin Schult arbeitet hauptberuflich für den Börsenverein des deutschen Buchhandels, aber jetzt hat der 49-jährige seinen ersten Roman veröffentlicht: „Flokati - oder mein Sommer mit Schmidt“. hr-iNFO Bücherchecker Alf Mentzer hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Sommer 1974, das ist der Sommer, als Deutschland zum zweiten Mal Fußballweltmeister wurde, und es ist der Sommer, in dem die Welt des 12-jährigen Paul aus den Fugen gerät. Da sind seine Eltern, der Vater Friseur im Frankfurter Westend und natürlich begeisterter Fußballfan, die Mutter linke Universitätsdozentin und politisierte RAF-Sympathisantin. Da fliegen schon mal die Fetzen, vorzugsweise auf dem familieneigenen Flokati-Teppich. Dazu kommt die schlimme Schuld, die Paul selbst auf sich geladen hat. Er könnte auf eine vertrackte Weise für den Tod einer Nachbarin verantwortlich sein. Und dann ist da natürlich noch Schmidt, Arno Schmidt, der deutsche Schriftsteller, den Paul für sich entdeckt und mit ihm die Einsicht, dass die Welt immer auch anders verstanden und beschrieben werden kann.

Wie ist es geschrieben?
Der Spielplan der WM 74 ist sozusagen der Spielplan dieses Romans. Die einzelnen Kapitel sind mit den Namen der Gegner der bundesdeutschen Mannschaft überschrieben. Aber das WM-Geschehen ist nur eine Handlungsachse. Dazwischen schneidet Martin Schult Briefe, in denen Paul nach und nach sein Verbrechen gesteht. Dazu kommt viel Frankfurter Lokalkolorit. Und wenn es dann wieder um Fußball geht, dann geschieht das aus der ganz eigenen Perspektive dieses 12-jährigen, der sich eher für skurrile Details als für Taktik und Ergebnisse interessiert, so zum Beispiel für die Frisuren der deutschen Mannschaft, die Ähnlichkeit mit dem titelgebenden Flokati hatten:

“Mit den Haaren von Wolfgang Overath könnte man ein ganzes Kopfkissen füllen. Jetzt, im Dauerregen, lag sein Haar gegen alle Gesetze der Natur nicht feucht und platt, sondern dermaßen aufgebauscht, dass er aussah wie eine nassgewordene Pusteblume.“

Wie gefällt es?
Martin Schult erzählt unangestrengt von den Verwirrungen der Pubertät und zeichnet gleichzeitig ein sehr, sehr lebendiges Bild der immer noch jungen Bundesrepublik, die zwischen Bürgerlichkeit und Revolution hin und hergerissen ist. Das ist gut konstruiert, hat viel Witz und noch mehr 74er Gefühl. Ich habe mich sehr gerne in diesen Sommer zurückgesetzt gefühlt, der für mich, ganz ähnlich wie für Paul, das erste bewusst erlebte Sommermärchen war.

 

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gebundenes Buch, 224 S.
Sprache: Deutsch
Ullstein Verlag
ISBN: 9783550081316